Modernisierung der (deutschen) Bundesverwaltung:
Das Konzept der Bundesregierung für die 2. Phase
(Stand: Juni 2005)
(Beitrag in Verwaltungsmanagement.Info, Version 1.34)
 
Etwas schwer zu finden, aber doch verfügbar: die Fortschreibung des Regierungsprogramms "Moderner Staat - Moderne Verwaltung" unter dem Titel: Modernisierung der Bundesverwaltung - Strategie für die 2. Phase des Regierungsprogramms, veröffentlicht vom BMI mit dem Datum Juni 2004. Grundlage ist der Kabinettbeschluss vom 16. Juni 2004[FN1].

Dazu passt gut der Lesetipp: Wie steht es um die Verwaltungsreform? sowie der Beitrag von Werner Jann in der Dokumentation der Behördenleitertagung 2003 (pardon: Behördenleitungstagung - wer unter "Behördenleiter" sucht, findet es nicht): Reformen aktiv gestalten, S. 38 ff. : "Reform als Daueraufgabe".

Einige Anmerkungen zu dem Konzept der Bundesregierung für die 2. Phase
  1. Keine Evaluation
    Grundlegend ist: die Reformaktivitäten wurden nicht evaluiert. Es gibt keine sinnvolle Gesamt-Zielsetzung, die eine Überprüfung auf Effektivität und Effizienz der Reformmaßnahmen ermöglicht, keine Messgrößen, es gibt keine unabhängige Begutachtung.
     
  2. KLR und Controlling
    Besonders deutlich ist das Missverhältnis zwischen Erfolgsbilanz und Erfolg zu erkennen bei den Instrumenten KLR und Controlling: diese Instrumente liefern in leider vielen Fällen kaum sinnvolle Beiträge, exemplarisch der sog. "Produkthaushalt" der Pilotbehörde "Fachhochschule des Bundes", vom BMF in den amtlichen Haushaltsplan aufgenommen. Zielsetzung eines Produkthaushalts ist es, eine Grundlage für die Output-Steuerung zu schaffen. Der Produkthaushalt informiert aber nicht über die erstellten Leistungen, vielmehr ist die Steuerungsgröße die Zahl eingesetzter Lehrdeputate, also der Input (Ressourcenverbrauch). Das zentrale Reforminstrument leistet also gerade nicht, was es soll. - Inzwischen, für den Bundeshaushalt 2005, hat man insgesamt auf die "Steuerungsgröße" verzichtet, also auf jedwede Angaben zu Umfang und/oder Qualität und/oder Wirkung der Verwaltungsleistungen.

    Kritisch zu diesem Aspekt der Reform auf Bundesebene auch Budäus / Behm / Adam, 2005[FN2]:
  3. "Auf Bundesebene findet trotz der Entwicklung eines Konzepts der Kosten- und Leistungsrechnung im Jahr 1997 faktisch so gut wie kein Reformprozess statt.

    Zwar sind in einzelnen nachgeordneten Bundesbehörden Kosten-/Leistungsrechnungen eingeführt worden. Allerdings fehlt es hier an einer systematischen Verknüpfung mit der Budgetierung. Die Kosten- und Leistungsinformationen in Form von Produktinformationen werden, sofern sie denn überhaupt systematisch betrieben werden, nur ergänzend bereitgestellt.

    Ohne für Einzelfallentscheidungen vor allem die Nutzung der Kostenrechnung grundsätzlich in Frage stellen zu wollen, bleibt das handlungsleitende System auf Bundesebene nach wie vor ausschließlich der kamerale Haushalt. Vor diesem Hintergrund besitzt die Kosten- und Leistungsrechnung teilweise wohl nur Legitimationsfunktion. Der allgemeinen Forderung nach einer Reform des öffentlichen Rechnungswesens wird Rechnung getragen, ohne dass sich an den bisherigen Kriterien des Verwaltungshandelns grundsätzlich etwas ändert."

Derartige Fehler diskreditieren Reforminstrumente - für viele in der Bundesverwaltung ist "Reform" inzwischen ein Reizwort, die wichtigsten Instrumente eingeschlossen. - Übrigens wird nicht erhoben, was die Mitarbeitenden von den Reformen halten. Das wäre aber ein Beweis dafür, dass die Mitwirkung der Betroffenen ernsthaft gewollt wird - wie es das Leitbild der Reform erfordert!

  1. Vom "Aktivierenden Staat" bleibt nur der Bürokratieabbau übrig, und der steht in der Liste an zweiter, nicht an erster Stelle (dabei kommt die Strategie vor der Umsetzung, vorrangig ist es, die "richtigen Dinge" zu tun, statt effizient überflüssige Aufgaben zu erfüllen).
     
  2. "Einsparerfolge" werden dokumentiert, ohne dass erkennbar wird, wie sich dies auf die Qualität und die Leistungen ausgewirkt hat - Wirtschaftlichkeit ist aber das Verhältnis von Nutzen zu Kosten. Effizienz-Messgrößen, wie sie die englische Verwaltung versucht (Nachweise in olev.de), gibt es nicht einmal im Ansatz.
     
  3. Selbst die Dokumentation der "Einsparungen", also der verringerten Kosten, ist oft nicht nachvollziehbar:
    1. Denn "eingespartes Personal" kann bedeuten:
      1. vorzeitige Pensionierung, 75% der Personalkosten bleiben bei 0% Leistung (der Anreiz, auf diese Art einzusparen, ist vorhanden, Initiativen, ihn einzuschränken, sind nicht erkennbar),
      2. Outsourcing, das Personal wird von externen Dienstleistern weiter beschäftigt, schlimmstenfalls werden die gleichen Leistungen wie bisher teurer erbracht.
      3. nicht die Stellenzahl ist also maßgebend, sondern "Kosten", gleich ob Personal- oder Sachkosten oder Kosten durch Pensionsleistungen, die an einer anderen Stelle im Haushalt veranschlagt werden.
         
    2. die "Auslagerung" von Leistungen (Outsourcing) spart nur einen Teil der Kosten, falls es sie überhaupt spart. Positives Gegenbeispiel könnte die G.E.B.B. sein, die Dienstleistungen für die Bundeswehr bündelt. Bei der G.E.B.B. wird anscheinend betriebswirtschaftlich korrekt gerechnet, die Einsparungen erscheinen realistisch. Allerdings fehlt auch hier der unabhängige Nachweis und die Erörterung möglicher Nachteile.
       
  4. Das Wort "Strategisch" kommt im Programm häufiger vor, es ist aber nicht immer erkennbar, was damit gemeint wird.
    1. "Die richtigen Dinge tun" würde z.B. bedeuten, nicht die Verwaltungskosten von Beihilfe über Benchmarking zu optimieren, sondern die Beihilfeleistungen selbst, den eigentliche Kostenblock. Und auf der Nutzenseite geht es um die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, einerseits, die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten, andererseits.
    2. Dazu müsste die Beihilfe umgestellt werden auf Gesundheitsmanagement: nicht die Verwaltung von Krankheitskosten ist die Aufgabe, sondern die Vermeidung von Krankheit durch Vorbeugung und die Wiederherstellung der Gesundheit durch integriertes Fallmanagement (Disease Management). Letzteres würde es z.B. erlauben, die Kosten für Diabetes Typ II, die häufigste Erkankung, deutlich zu senken, die Krankheitszeiten (und damit Ausfälle an Arbeitszeit) zu verringern und gleichzeitig die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
    3. Entsprechendes gilt für andere Dienstleistungen und die Zentralisierung von anderen Querschnittsaufgaben.
       
  5. Die Finanz- und Steuerungsprobleme der öffentlichen Hände lassen sich nur auf der strategischen Ebene lösen, aber es ist aus dem Konzept nicht erkennbar, dass diese Botschaft verstanden und Grundlage der Konzeption geworden ist.
     
  6. Zum Instrumentarium macht die Bundesregierung verschiedene Vorschläge, die in die richtige Richtung weisen, aber auch eine fachliche Diskussion rechtfertigen. Zur Interpretation des Konzepts der "Balanced Scorecard" als Orientierung für ein System von Zielen und Kennzahlen siehe die Diskussion im Online-Verwaltungslexikon: darunter wird Unterschiedlichstes verstanden, schlimmstenfalls eine Zielhierarchie mit dem Oberziel "Einhaltung des Haushaltsplans": sprich: alle Mittel für Projekte müssen auch ausgegeben werden.

 

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Anmerkungen

[1] So die Informationen auf der Website Moderner Staat - moderne Verwaltung (übernommen am 16.06.2005)
[2] Reformen des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens in Deutschland. Stand, Konzepte, Entwicklungsperspektiven. Teil 3, in: Verwaltung und Management 2005, 48, 51. Absatz-Formatierung geändert.


Verantwortlich und © Copyright:
Prof. Dr. Burkhardt Krems
, Köln,
2007-12-17
http://www.verwaltungsmanagement.info/allgemein/bund_reform2.htm